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Rezension: Lernwerkstatt Mühlacker 7

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Grundlegende Informationen

Die „Lernwerkstatt Mühlacker“ ist eine Sammlung von Übungsformaten und Spielen, die unter einer einheitlichen Oberfläche präsentiert werden. Die Software der Medienwerkstatt Mühlacker – die sich auf das Angebot von Medien aller Art zur Unterstützung von Lehrern und Schülern spezialisiert hat – liegt mittlerweile in der siebten Version vor. Eine zeitlich beschränkte Demoversion steht auf der Homepage des Herstellers zum kostenlosen Download bereit, so dass die Software vor dem Einkauf ausprobiert werden kann. Das Lernsoftware-Paket kann als Einzel-, Klassen- oder Schullizenz zum Preis von 39 € bzw. 89€ bzw. 129€ bezogen werden. Die Hardwarevoraussetzungen sind gering, so dass die Software auch auf älteren Rechnern mit Windows 98 verwendet werden kann.

Ein Umfang von mittlerweile ca. 180 Übungsformaten macht eine einheitliche didaktische Bewertung schwer. Deshalb findet eine Eingrenzung der Betrachtungen auf Übungen für den Bereich der elementaren Mathematik statt. Außerdem wird die Software besonders für die Eignung innerhalb der sonderpädagogischen Förderung diskutiert. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass diese Zielgruppe von den Autoren selbst nicht explizit ausgewiesen wird.

Einsatzzweck und -möglichkeiten

Als große Sammlung von Übungen aus den Bereichen Mathematik, Deutsch, Fremdsprachen und Wissen, die sich an den Inhalten des Grundschullehrplans orientieren, ist die Software als universelles Übungsmedium im Unterricht der Grund- und Förderschule konzipiert und kann dort an vielen Stellen eingesetzt werden. Im Handbuch sind Vorlagen und Pictogramme für die Einbindung in die Wochenplanarbeit angefügt, ebenfalls steht auf den Seiten des Herstellers ein ausführlicher Erfahrungsbericht mit Hinweisen über den Einsatz der Software in einer Medienecke zur Verfügung. Einmal eingerichtet, kann so die Lernwerkstatt ohne größeren Administrationsaufwand eingesetzt werden und zu einer Arbeitserleichterung für den Lehrer führen.

Aufbau der Software

Beim Start der Lernsoftware wählt der Schüler seine Klasse und seinen Namen aus (der zuvor vom Lehrer angelegt werden muss) und gelangt anschließend zum Auswahlfenster, in dem Übungen und Spiele nach Fächer- und Themenbereiche gegliedert ausgewählt werden können. Pro Übungsformat werden vier vom Schüler veränderbaren Schwierigkeitsstufen angeboten. Desweiteren gibt es einen passwortgeschützten Lehrermodus zur Administration der Software sowie einen Aufgabenblattgenerator, mit dem Arbeitsblätter auf Basis der am Bildschirm angebotenen Übungen erstellt werden können.

Oberflächliches

Bei der Nutzung der Software fällt die klar strukturierte und konsistente Benutzeroberfläche positiv auf. Schülern wie Lehrern dürften nach kurzer Orientierungszeit mithilfe der übersichtlich gestalteten Navigationsleiste problemlos durch die einzelnen Teile der Software navigieren können. Da sowohl die Auswahl von Hilfen und Funktionen der einzelnen Übungen immer nach den gleichem Muster ablaufen und in gleichen Bereichen des Bildschirms dargestellt werden, wird die Orientierung und Bedienung in den einzelnen Übungen ungemein erleichtert. Zur Vermeidung von Orientierungslosigkeit im Aufgabendschungel der Lernsoftware wurden eine Anzeige integriert, die den jeweilgen Übungsnamen anzeigt sowie die bereits gerechneten Anzahl an Aufgaben je Aufgabenformat. Dezente Farben, klar gegliederte Bereiche, ausreichend große Schriften sowie der gezielte Einsatz von Sound ermöglichen die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf wesentliche Elemente der Software. Einzig die Icons zur Aufgabenauswahl sind wohl aufgrund der Aufgabenfülle etwas klein geraten.

Interaktionen: Instruktionen, Hilfestellungen, Rückmeldung

Die interaktiven Möglichkeiten des Computers werden sinnvoll aber spärlich genutzt. An der ein oder anderen Stelle würden umfangreichere didaktische Interaktions- bzw. Instruktionsangebote die Software aufwerten. Beispielsweise fehlt eine Einführung in die einzelnen Aufgabenformate. Es wird wohl erwartet, dass der Schüler entweder das Aufgabenformat kennt oder es sich zumindest intuitiv erschließen kann. Eine Aufgabenbeschreibung erscheint erst durch die aktive Anforderung von Hilfe durch den Benutzer. Da die Einführung in das Übungsformat dann in schriftlicher Form und ohne anschauliche Beispiele erfolgt, ist sie wohl eher für den Lehrer gedacht. Dieser Mangel ist bei nicht selbsterklärenden und uneindeutigen Aufgabenformaten (Beispiel: Zahlenstrahl) besonders gravierend. Folglich ist die Bearbeitung vieler Übungen nur dann möglich, wenn das Aufgabenformat bekannt ist oder ein Lehrer die Aufgaben erläutert oder vormacht. Ansonsten bleibt dem Schüler nichts anderes übrig, als per Trial&Error die geforderte Aufgabenstellung „herauszufinden“.

Die angebotenen, zum Teil „interaktiven“ Veranschaulichungshilfen sind zwar sowohl funktionel wie auch visuell gut umgesetzt, jedoch fehlen Hinweise auf die konstruktive Nutzung im jeweiligen Aufgabenkontext. Genauso wie für die Aufgaben gilt somit auch für die Hilfsmittel: Eine Einführung in die Nutzung durch den Lehrer ist notwendig.

Die Aufgabenkontrolle kann über einen Klick auf das „Auge“-Symbol in Gang gesetzt werden. Durch ein zwinkerndes Auge („Schau genau hin“) und die Ausgabe eines Sounds wird der Benutzer auf eine fehlerhafte Lösung aufmerksam gemacht. Außerdem wird die Fehlerstelle gelb unterlegt. Diese reduzierte Form der Fehlerrückmeldung ist zweckgemäß, jedoch wäre nach mehrmaligen Fehlversuchen eine aktive Hilfe oder zumindest der Hinweis auf unterstützende Hilfsmittel auf jeden Fall hilfreich.

Bei einigen Aufgaben fiel mir die enge „Führung“ durch die Software auf. Beispielsweise musste bei der Aufgabe 2+3 = ? mit den Abakus zunächst zwei und dann erst die nächsten drei Perlen verschoben werden um die richtige Lösung eingeben zu können. Falls der Schüler gleich das richtige Ergebnis, also fünf Perlen, verschiebt, wird dies als unzulässig gewertet. Obwohl sich auch für diese enge schrittweise Führung des Schülers durch eine Aufgabe Argumente finden lassen, sollten zumindest solche „Abkürzungen“ bzw. alternative Lösungswege nicht als Fehler deklariert werden.

Adaptions- und Differenzierungsmöglichkeiten

Die Adaptionsmöglichkeiten der Software sind sowohl im Umfang als auch in der Strukturierung schlüssig. Die Rahmenbedingungen (Aufgabentypen) können pro Klasse vom Lehrer im Lehrermodus festgelegt werden. Dabei stehen dem Lehrer neben Einstelloptionen für die einzelnen Aufgabenthemen (z.B. die Schreibweise bei den schriftlichen Rechenverfahren) auch die Anpassung der Auswahlmöglichkeiten (z.B. Schwierigkeitsstufe, Hilfen) der Schüler zur Verfügung. Leider lassen sich die so ermöglichten Aufgabendifferenzierungen nur für die gesamte Klasse und nicht je Schüler einstellen, was gerade beim Einsatz in stark heterogenen Lerngruppen (z.B. Integrationsklassen, Sonderschulklassen) Sinn machen würde. Über die Notwendigkeit der Integration weiterer Anpassungsmöglichkeiten lässt sich streiten: Ich hätte mir im Hinblick auf Schüler mit Schwierigkeiten beim Rechnen noch die Möglichkeit gewünscht, einzelne Aufgabenschwierigkeiten (z.B. Rechnen mit der Null, Zehnerübergang) ausschließen zu können. Im Lehrermodus kann der Lehrer über die Profile der einzelnen Schüler nachsehen, welche und wieviele Aufgaben jeder Schüler bearbeitet hat. Eine differnzierte Diagnostik lässt dies nicht zu, da nur der Umfang, jedoch nicht die gerechneten Aufgaben und Lösungen selbst protokolliert werden. Des weiteren besteht die Möglichkeit, eigene Übungskarten und Übungen zu erstellen oder aus dem Internet nachzuladen und so das Programm individuell anzupassen.

Einen angemessenen Freiheitsgrad wird dem Schüler bei der Benutzung des Lernprogramms zugestanden. Er kann das Übungsformat selbst auswählen und innerhalb der Übungen die Schwierigkeitsstufe frei auswählen. Außerdem stehendem Schüler – je nach Vorgabe des Lehrers – weitere Einstelloptionen (zum Beispiel die Auswahl des Zahlenraums bei Rechenaufgaben) sowie frei wählbare Hilfen wie Abakus, Taschenrechner, Zahlenstrahl usw. zur Verfügung.

Didaktische Bewertung

Im Bereich der Arithmetik werden viele gängige Übungsformate angeboten, wie sie auch in den meisten Schulbüchern zu finden sind. Neben Formaten, die der reinen Automatisierung dienen (Kopfrechnen, Maltabellen, schritliches Rechnen) sind operative Übungsformate wie Zahlenmauern, Zahlenhäuser, Zauberdreiecke, Rechendreiecke usw. enthalten. Insgesamt genügen die Übungen in ihrer digitalen Umsetzung fachdidaktischen Standards. Auch die schnörkellose Präsentation dieser Formate und der klar erkennbaren Übungscharakter ohne ablenkende Animationen hat durchaus seine didaktisch Berechtigung. Die Erhöhung der Schwierigkeit innerhalb der Übungen erfolgt kleinschrittig. Schade ist nur, dass bei den Übungsformaten die Aufgaben nicht als Übungsreihen im Sinne produktiven Übens angeboten werden, sondern zusammenhangslos (d.h. durch Zufallsauswahl) präsentiert werden.

Echte Innovationen bieten die Übungen nicht: Der einzige Vorteil der Aufgaben im Vergleich zum Rechnen mit Papier und Bleistift ist die unmittelbare Fehlerkontrolle und Rückmeldung. Ansonsten wurden die Übungen bzw. gegenständlichen Materialien größtenteils einfach auf den Computer übertragen. Ein didaktischer Mehrwert oder sogar Gewinn an Aneignungs- und Einsichtsmöglichkeiten in mathematische Lerninhalte wird dadurch wohl kaum erreicht. Hier fehlen schlüssige und innovative Adaptionen der Formate an die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Computer. Beispielsweise könnten ikonischen Darstellungen von Mengen als Ergänzung zur symbolischen Zahldarstellung generiert werden und so Bezüge zwischen diesen Repräsentations- und Abstraktionsebenen sichtbar gemacht werden. Auch angepasste Hilfestellungen und die gezielte Nutzung von Visualisierungen zur Anbahnung kardinaler Zahlauffassungen und zur Strukturierung von Zahlen wären bei vielen Übungsformaten möglich und würde die Software didaktisch aufwerten. Besonders Kinder mit einem erhöhten Förderbedarf würden von solche Maßnahmen sicherlich profitieren. In einigen Übungen, bei denen Aufgaben durch aktives Operieren mit dem Abakus gelöst werden müssen, finden sich erste Ansätze. Hierbei wird die Simultanerfassung und strukturierte Zergliederung von Zahlen durch Handlungen auf der ikonischer Ebene angebahnt, indem sich Mengen lediglich als Ganzheiten verschieben lassen.

Gesamtbewertung

Die „Lernwerstatt Mühlacker“ überzeugt durch die klare Strukturierung der Inhalte und der Oberfläche, durch die umfangreichen Möglichkeiten zur Anpassung der Übungen und den große Aufgabenumfang. Auch wenn die einzelnen Übungen eher ein Computer-Pendant zum Rechnen mit Blatt und Papier sind und die interaktiven und visualisierenden Möglichkeiten des Mediums nur rudimentär nutzen, sind sie dennoch in sich didaktisch stimmig und konsequent umgesetzt. Die berechtigte Frage nach dem Mehrwert solcher computergestützter Übungen bleibt offen. Während die Motivierung durch das Medium und die leichte Administration durch den Lehrer und die damit einhergehende Arbeitserleichterung durchaus für den Einsatz solcher Software sprechen, muss die Frage gestellt werden, ob der Computer nicht für sinnvollere Zwecke als die „Virtualisierung“ herkömmlicher Übungsformen eingesetzt werden kann und sollte.

Für Kinder mit besonderem Förderbedarf bietet die Software – außer als Automatisierungshilfe für das Zahlenrechnen – kaum neuen Lernchancen. Vorkenntnisse der Übungsformate und Kompetenzen im Bereich des symbolischen Rechnen sind Voraussetzung für die problemlose Nutzung der Lernsoftware. Dann allerdings ist die Software zum überlegten Einsatz im Unterricht geeignet und kann gute Dienste als Übungs- und Automatisierungsmedium leisten.

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Sehr geehrte Damen und Herren,
wie ich gesehen habe, ist die Rezension von 2009 und bezieht sich nur auf den mathematischen Bereich, zudem ist lediglich der Einsatz im schulischen Bereich bewertet. Gibt es eventuell mittlerweile eine neue Begutachtung der Software für die anderen Bereiche (z.B. lesen) und den Einsatz im Elternhaus?
viele Grüße
Ulrike Knoch-Ehlers

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